Von der Gemeinschaft des Glaubens zur politisierten Religiosität
Politische Instrumentalisierung der Religion in Brasilien
DOI:
https://doi.org/10.22351/et.v63i2.2911Schlagworte:
Religiöse Organisationen, religiöse Vielfalt, Spiritualität, Individualisierung, politische InstrumentalisierungAbstract
Die religiöse Erfahrung der Menschen in Brasilien ist seit einigen Jahrzehnten einem beschleunigten Wandel unterworfen. Der römische Katholizismus ist seit fast anderthalb Jahrhunderten nicht mehr Staatsreligion, und das Land hat viele seiner traditionellen gesellschaftlichen Zusammenhänge durch Modernisierungsprozesse in Frage gestellt. Die Folge war jedoch weder eine Säkularisierung des öffentlichen Raums noch ein massiver Verzicht auf die Ausübung des Glaubens, sondern eine Pluralisierung der Arten, ihn zu leben, der Quellen, aus denen er sich speist, und der Ziele, die mit ihm erreicht werden sollen. Die meisten Menschen haben begonnen, sich weniger an religiöse Organisationen und Doktrinen zu binden und wählen autonom verschiedene und individuelle religiöse Elemente zur Befriedigung ihrer spirituellen und sogar materiellen Wünsche und Bedürfnisse aus, während sie die Bindung an eine Glaubensgemeinschaft durch das Erlebnis einer besonderen und spezifischen Religiosität ersetzen. Sie finden sich vermehrt aus Affinität und einer religiös motivierten politischen Militanz zusammen, weniger aufgrund von Traditionen, Ethik oder religiös begründeten Hoffnungen. Der Text versucht, zum Verständnis dieses Wandels beizutragen.